Elden Ring: Euer elitäres Gehabe kotzt mich an

Ein Easy Mode wäre kein Weltuntergang. Meinung von Sascha Penzhorn.

Elden Ring: Euer elitäres Gehabe kotzt mich an! (Meinung) - Elden Ring: Shadow of the Erdtree
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Wie für viele andere Fans auch, liegt der Reiz an Spielen wie Dark Souls und Elden Ring für mich unter anderem im vergleichsweise hohen Schwierigkeitsgrad dieser Spiele. Scheinbar unüberwindbare Hindernisse meistern, übermächtige Endgegner bezwingen, Bewegungsmuster lernen, unterschiedliche Strategien und Herangehensweisen ausprobieren. Ich mag das, wenn ich mich mit einem Spiel befassen, seine Möglichkeiten und Mechaniken begreifen muss, um Erfolg zu haben. Es ist einfach ein gutes Gefühl, einen schweren Kampf hinter sich zu bringen, an dem man sich zuvor eine Weile lang die Zähne ausgebissen hat. Ich käme deswegen aber trotzdem im Traum nicht darauf, anderen vorzuschreiben, wie sie zu spielen haben oder mir irgendeine Liste von Möglichkeiten, Waffen und Zaubern auszudenken, die man auf gar keinen Fall benutzen darf, wenn man richtig gewinnen will.

Grundsätzlich ist das erst mal cool, wenn Spielerinnen und Spieler die ultimative Herausforderung suchen und ganz bewusst auf Features wie Beschwörungen, Koop-Multiplayer, ja stellenweise sogar auf Level-Ups, Upgrades oder gerade ganz aktuell auf die lebensrettenden Scadutree-Blessings aus dem Elden-Ring-DLC verzichten. Es gibt Leute da draußen, die heben wenige Tage nach Erscheinen der neuen Erweiterung bereits sämtliche Bosse aus den Latschen, ohne einen einzigen Gegentreffer zu kassieren. Du kannst den finalen Endgegner nackt, auf Level 1 und mit der gammeligsten Waffe im Spiel vernichten, wenn du gut genug bist. Oder du stellst dir einen Charakter zusammen, dessen Ausrüstung alles trivialisiert und rufst dir Hilfe herbei. Oder irgendwas dazwischen. Das ist prima - mit etwas Wissen und der nötigen Ausrüstung kann man sich das Spiel so leicht oder schwer machen, wie man möchte. Natürlich hält das Teile der Community nicht davon ab, sich aufzuführen, als sei Selbstgeißelung das einzig wahre Spielerlebis. Alles andere ist Ketzerei. Hört doch auf mit dem Scheiß!

Typisch Redakteur, spielt mit schwerer Rüstung und Bleed-Build! Absolut kein Skill vorhanden!

Ihr verdient keine Pause

Vielleicht haben einige von euch schon mal Kinder gesehen. Die sind entfernt menschenähnlich, nur kleiner, lauter und klebriger. Es gibt Leute, die halten sich Kinder. Weil diese ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit erfordern, kann ihre Präsenz den Genuss von Videospielen einschränken. Falls ihr zufällig auf der brennenden Social-Media-Jauchegrube unterwegs seid, die einst als Twitter bekannt war, habt ihr womöglich die Ausraster darüber mitbekommen, als eine junge Dame anmerkte, wie hilfreich eine Pausefunktion in Elden Ring wäre, gerade wenn man Kinder um sich herum hat. "Elden Ring muss einfacher werden, weil ich Kinder habe", ist die frei erfundene Aussage, die ihr aktuell von "Fans" deswegen angehängt wird. So super. Pro-Tipp: Ihr könnt das Spiel tatsächlich pausieren, indem ihr im Menü die Hilfefunktion mit den Button-Beschreibungen aufruft. Weshalb man das Spiel zumindest im Offline-Modus nicht trotzdem ganz banal mit der Starttaste pausieren kann, oder weshalb einige allein den Gedanken daran ganz furchtbar schlimm finden, erschließt sich mir nicht.

Ich würde sogar noch einen draufsetzen: Verpasst dem Spiel und möglichen Nachfolgern doch direkt einen optionalen, offiziellen Easy Mode für Leute, die es nicht anders schaffen. Den würde ich selbst eher nicht nutzen, seine bloße Existenz würde mir oder dem Spiel aber in keinster Weise schaden. Wem bei dieser Idee eine Ader platzt, dem sei gesagt: Wer keinen Bock darauf hat, sich durch diese Art Spiel durchzusterben, setzt ohnehin schon lange auf Cheats, Mods und Gimmicks wie Journalist Mode, eine Modifizierung, durch die ihr 50 Prozent weniger Schaden nehmt. Zugegeben, der Name verletzt ein wenig meine Gefühle, aber das nur am Rande.

Wer es sich leichter machen oder direkt bescheißen will, kann es also ohnehin schon. Wieso nicht gleich offiziell? Spiele werden immer zugänglicher und inklusiver. Allein beim Schwierigkeitsgrad wird so eine harte Grenze gezogen - und auch nur bei Soulsborne und Elden Ring, während der Grad der Herausforderungen in anderen Titeln nur immer freier konfigurierbar wird. Dabei steht selbst Fromsoftware-Chef Hidetaka Miyazaki dazu, dass er als Gamer nichts reißt.

Bei Drachenkämpfen beschwören? Igitt! Was denn noch? Für Bossdrache Bayle womöglich den NPC-Helfer herbeirufen, den Fromsoftware speziell dafür entworfen hat?

Der Chef mag es locker

"I absolutely suck at video games." Das erklärte Miyazaki neulich in einem Interview mit PC Gamer. Ich weiß zufällig, dass meine Leser von Natur aus so gebildet sind, dass ich diesen Spruch nicht für sie übersetzen muss. Er erklärt ganz offen, dass er auf absolut jedes Hilfsmittel zurückgreift, das im Spiel existiert, um durchzukommen und dass er in diesem Zusammenhang auch von Elden Rings Open-World-Aspekt profitiert. Voll komisch! Beinahe so, als hätten sie sich bei der Implementierung dieser Features irgendwas gedacht, gell? Ich liebe alles daran. Nach Definition der du-beschwörst-und-spielst-deshalb-gar-nicht-richtig-denn-das-haben-wir-eben-einfach-so-beschlossen-Fraktion spielt der Fromsoft-Präsident höchstselbst sein eigenes Spiel nicht richtig!

Ich bin mir gar nicht mal so sicher, was an all diesem Drama alberner ist: Menschen, die aufgrund willkürlicher, selbst auferlegter Regeln und Limitierungen anderen ihre Erfolge absprechen oder Leute, die aufgrund dieses Verhaltens dermaßen paranoid sind, dass sie jeden Schritt im Spiel doppelt und dreifach hinterfragen, aus Angst, fremde Menschen könnten sie im Internet verachten, weil sie versehentlich verkehrt gespielt haben. Manche haben wortwörtlich ein schlechtes Gewissen ("I felt like I was cheating"), nur weil sie eine Ingame-Mechanik in Form von Beschwörungen nutzen. Warum? Genau zu diesem Zweck existieren die Beschwörungen doch! Bei Bedarf könnt ihr entsprechende Kämpfe später immer noch studieren, die Bewegungsmuster lernen und versuchen, ohne Hilfsmittel zu gewinnen, dafür gibt es ja New Game Plus. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass sich meine Familie eines Tages von mir abwenden wird, wenn ich einmal auf dem Sterbebett beichte, dass ich für Messmer die Mimic Tear ausgepackt habe. Und falls doch, ist es in dem Moment dann auch egal.

Skill ist immer noch geil

Am Ende macht ihr es euch unnötig kompliziert und raubt euch selbst den Spielspaß, wenn ihr jede Aktion, jeden Kampf und jede Entscheidung wieder und wieder hinterfragt, weil irgendwer im Forum oder auf Reddit eure Spielweise als minderwertig auslegen könnte. Bei aller Liebe, so interessant seid ihr überhaupt nicht und kein Mensch will wissen, wie ihr spielt. Anderen vorschreiben zu wollen, wie schwer sie sich das Spiel machen sollen oder bei der bloßen Erwähnung eines optionalen, leichteren Schwierigkeitsgrades komplett zu explodieren, ist missgünstig und infantil. "Andere sollen bitte exakt so leiden wie ich, sonst haben sie ihren Sieg nicht verdient!" Du kannst auf Wunsch doch immer noch leiden und niemand nimmt dir irgendwas weg! Unterm Strich hätten weniger schmerzbefreite, eher unerfahrene Spielerinnen und Spieler einfach nur eine Chance, Titel dieser Art ebenfalls zu erleben, wenn auch weniger herausfordernd als der harte Kern der Community.

Ein Hang zur Selbstgeißelung in Elden Ring ist voll okay. Aber lasst doch alle so spielen, wie sie wollen.

Auch dann könnt ihr weiterhin sämtliche Herausforderungen auf Runenlevel 1 in der gammeligsten Ausrüstung meistern, ohne ein einziges Mal getroffen zu werden und die Community (mit Recht!) damit zutiefst beeindrucken. Legendär gute Spieler wie Let Me Solo Her machen sich gerade wieder aktiv einen Namen damit, wie absolut mühelos sie mit dem letzten DLC-Endgegner den Boden aufwischen und versüßen damit vollkommen überforderten und hilflosen Weggefährten den Tag. Wenn du ein potenziell bockschweres Spiel gemeistert hast, kannst du deine Fähigkeiten nämlich auch nutzen, um anderen zu helfen oder ihnen ein paar Tricks beizubringen. Alternativ prahlst du einfach nur mit deinen Leistungen und putzt alle runter, die es sich leichter machen als du selbst. Damit hilfst du niemandem und bläst einfach nur dein Ego auf.

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FromSoftware | 21. Juni 2024
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